Teil 2

Ist der Hinduismus ein Vielgötterglaube ähnlich wie der Vielgötterglaube der antiken Religionen?
Auch wenn der Hinduismus als Polytheismus (Vielgötterglaube) bezeichnet wird, soll im Folgenden dargestellt werden, dass sich der Hinduismus fundamental von den antiken Formen des Polytheismus (z.B. Römer, Wikinger) unterscheidet.
Der Hinduismus kennt keinen so konkreten, menschenartig und bildhaften Göttervater wie der Vielgötterglaube der Antike. Die wichtigste Kraft im hinduistischen Glauben ist Brahman, das allmächtige kosmische Bewusstsein ohne jegliche Eigenschaften. Wenn sich Brahman manifestiert, wird es zu Ishvara, einem Gott mit einer Form und Eigenschaften, der sich in so gut wie allen Aspekten des Universums zeigen kann.
Der Hinduismus wird oft als polytheistischer (Vielgötter) Glaube, der auf Bilderverehrung basiert, beschrieben, besonders wenn man ihn mit den monotheistischen Religionen wie dem Islam oder dem Christentum vergleicht. Es stimmt, dass der Hinduismus von vielen Menschen als polytheistische (Vielgötter) Religion aufgefasst wird, weil es hier tausende Götter und Göttinnen im Götterhimmel gibt.
Doch man darf dies, was mit Wahrheit oder Wirklichkeit beschrieben wird, nicht in verbindliche, strikte Glaubensaussagen pressen. Im Vergleich zu anderen Weltreligionen ist der Hinduismus kein starres System, sondern äusserst wandelbar. Die religiöse Wirklichkeit des Hinduismus muss in vielen verschiedenen Quellen gesucht werden. Das hinduistische Konzept der Göttlichkeit kann sich von Person zu Person unterscheiden und religiöse Praktiken erlauben eine Vielzahl von Darstellungen des Göttlichen. Jede Darstellung ist selbst eine göttliche Erscheinungsform.
Bei allen verschiedenen Glaubensformen des Hinduismus halten sich die Gläubigen bei der Verehrung von vielen Göttern und Göttinnen an das Prinzip des „Göttlichen in Allem“. Kurz gesagt glauben Hindus, dass ein oberstes Wesen nicht in seiner Gänze verstanden werden kann, weshalb die verschiedenen Manifestierungen auf der Erde schlicht symbolisch für das höchste göttliche Wesen stehen, welches nicht verstanden werden kann.
Etwas vereinfacht und tolerant formuliert kann der Hinduismus daher trotzdem als eine Art «Eingottglaube» gesehen werden, in welcher sich die einzige, allerhöchste, allumfassende Gottheit den Menschen in einer unendlichen Anzahl von Göttern zeigt. Ein möglicher Vergleich ist das Licht, das in ein Prisma fällt und sich in unzählige verschiedenfarbige Lichtpunkte verteilt.
Quellen
Vorlage für diesen Text war diese Quelle: SORAPS, Leitfaden zu religionsbezogenen Vorurteilen und Stereotypen, Intellektueller Output I, Erasmus+ Programm der Europäischen Union, 2018